Archäologen haben Fundamente der Häuserzeile mit dem "Braunen Haus" am Marktplatz freigelegt.

Selten präsentiert sich Dülmens Vergangenheit so offen wie in diesen Tagen in der Marktstraße. Auf dem Stück zwischen Dülmener Zeitung und Parfümerie Pieper hat das Archäologen-Team um Dr. Gerard Jentgens Keller und Fundamente jener Häuserzeile freigelegt, die hier bis zum Krieg stand und zum alten Dülmen gehörte.

Selbst das ungeschulte Auge kann viel erkennen - etwa die Außenmauern der einstigen Häuser, große Findlinge, die das Fundament verstärkten, aber auch die unterschiedlichen Beläge der Kellerböden. Wer sich Zeit nimmt, der kann auch noch tiefere (Zeit-)Schichten erkennen. An einigen Stellen habe man tiefer graben müssen, weil Pflanzlöcher für die neuen Bäume der Straße angelegt werden sollen, begründet Jentgens und verweist auf die Arbeiten, die Gegenwart und Zukunft der Innenstadt betreffen.

In Höhe der Parfümerie sind Fundamente der alten Apotheke am Marktplatz zu sehen. Aber es geht noch weiter zurück in der Geschichte der Stadt. Das kreisrunde Loch im Boden markiert den Standort einer Latrine aus dem 14./15. Jahrhundert - erkennbar an der Verfärbung des Bodens. Die Wände der Fasslatrine - ursprünglich aus Holz - existieren nicht mehr. Auch die Reste eines alten Abwasserkanals sind zu sehen. Das unterirdische Bogen-Bauwerk aus dem 18. Jahrhundert war keineswegs nur ein nüchterner Zweckbau, wie die noch erkennbaren gemauerten Abschlüsse zeigen.

Auch ein wenig erfreuliches Kapitel der Stadtgeschichte ist jetzt ans Tageslicht gekommen. In Höhe der Dülmener Zeitung hat das Grabungsteam den Keller des einstigen „Braunen Hauses“ am Markt freigelegt. Es sei eines der frühesten NSDAP-Quartiere in der Region gewesen. Zuvor war in dem Gebäude ein schönes Café untergebracht, weiß Jentgens. Gut möglich, dass die hell geflieste Kellerwand, die aus dem Erdreich geschält wurde, zu den Sanitäranlagen des Cafés gehörte. Aber auch möglich, dass sie Teil des später eingerichteten Folterkellers der Nationalsozialisten war. „Da müsste man recherchieren und etwa Augenzeugen befragen“, sagt Jentgens und verweist hier auf andere Disziplinen.

Unterstützung bekommt das Archäologen-Team bei der Auswertung der Funde im Bereich des früheren Friedhofs auf dem Kirchplatz (Höhe Living Room) von der Anthropologin Dr. Bettina Jungklaus. Sie untersucht die jüngsten Skelettfunde, die wiederum älter sind (14. bis 16. Jahrhundert) als die Funde auf dem Platz. Diese Menschen wurden außen an der Kirchplatzmauer beigesetzt. Diese Tatsache und die Ausrichtung der Bestatteten in nord-südliche Richtung legen den Schluss nahe, dass es sich um Außenseiter der Dülmener Gesellschaft handelte, so Jentgens. Woran sie gestorben wird, werde jetzt von der Fachfrau untersucht.

Vermutlich nur noch in dieser Woche sind die archäologischen Funde zu sehen. Dann werden die freigelegten Böden abgetragen, um den Pflanzlöchern Platz zu machen, sagt Jentgens.

 

Bericht und Foto der Dülmener Zeitung, Claudia Marci
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