Heimatverein und Gemeinde stellen Buch über das Schicksal von Louis Pins vor.

Als es immer schlimmer wird, will Louis Pins nur noch weg. „Sie müssen machen, dass ich wegkomme!“, bestürmt der Dülmener Viehhändler im Frühjahr 1939 den korrupten Konsulatskanzler Bockholdt im uruguayischen Generalkonsulat in Hamburg. Damit dieser ihm endlich die Ausreisedokumente nach Südamerika für sich und seine Familie besorgt. Kurze Zeit später ist Pins tot.
Im Jahr 2020 wurde der Keller der Familie Pins am Fuße der Kirche St. Viktor bei Grabungen entdeckt. „Es ist ein Keller wie jeder andere, archäologisch völlig uninteressant. Doch die Geschichte der Familie dahinter hat es in sich“, sagt Dr. Dieter Potente, Historiker und 16 Jahre lang Schulleiter an der Erich-Kästner-Schule in Buldern und der Johann-Gutenberg-Schule in Dülmen. Über das Schicksal des Dülmener Juden Louis Pins, das über Fluchtversuch, Verhaftung und Verhör bis in den Tod führte, gibt der Heimatverein Dülmen im Auftrag der Pfarrgemeinde St. Viktor nun ein Buch heraus.
„Bei manchen geschichtswissenschaftlichen Aufsätzen will ich schon nach der dritten Seite das erste Nickerchen einlegen. Doch dieses Buch ist anders“, sagt Potente. Die drögen, im Wortlaut stenografierten Akten wurden anschaulich illustriert und alle relevanten Dülmener Persönlichkeiten in Info-Kästen erläutert.
„Das Einzelschicksal des Dülmeners Pins macht die Schikane und unglaubliche Verzweiflung der Juden während der NS-Diktatur fassbar.“ meint Dr. Dieter Potente
Zudem erlaubten abgelaufene Sperrfristen, das Internet sowie Kontakte zu Pins‘ Nachfahren in Uruguay und Israel neue Erkenntnisse. „Wir haben heute Infos, von denen nicht mal Frau und Tochter von Pins wussten“, erläutert Pfarrdechant Markus Trautmann.
„Das Einzelschicksal des Dülmeners Pins macht die Schikane und unglaubliche Verzweiflung der Juden während der NS-Diktatur fassbar. Geschichte ist keine Frage der Schule, sondern ein Thema für alle“, betont Potente. Das Buch basiert auf den Recherchen von Christiane Daldrup im Staatsarchiv Hamburg, deren eher zufälliger Aktenfund 450 Seiten umfasst. „Die Akten zeigen, wie Menschen wie Bockholdt die Not der Juden schamlos ausgenutzt und sich an der Panik der auswanderungswilligen Menschen bereichert haben“, berichtet Pfarrer Trautmann.
Pins stirbt schließlich in der Haft, seine Todesumstände sind bis heute ungeklärt. Seine Familie erfährt als Todesursache „Herzversagen“, die Sterbeurkunde bezeugt „Selbstmord durch Erhängen“. „Das alles kann jedoch auch erfunden sein. Das Gestapo-Gefängnis Fuhlsbüttel war extrem brutal, dort wurden Leute auch zu Tode geprügelt“, so Pfarrer Trautmann. Es ergebe sich ein Bild, jedoch kein geschlossenes.
Das jetzt erschienene Buch mit dem Titel „Sie müssen machen, dass ich wegkomme!“ ist dank der Förderung durch die NRW-Stiftung im Dülmener Buchhandel in einer Auflage von 800 Exemplaren für fünf Euro zu erwerben. Auf die Kellerruine der Familie Pins an der St.-Viktor-Kirche wird noch in diesem Jahr ein 2,50 Meter hoher gläserner Tetraeder als Denkmal gesetzt.

 

Bericht und Foto der Dülmener Zeitung, Leonard Fischer
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