Kriechende Schlange
Auf jüdische Spuren
in St. Viktor
„Nicht du trägst die Wurzel, sondern die Wurzel trägt dich!“ Mit diesen Worten ermahnt der Apostel Paulus (vgl. Römer 11,18) die christliche Gemeinde, ihren religiösen Ursprung nicht zu vergessen: Das Christentum gründet auf dem Judentum. Das Neue Testament ist ohne das Alte Testament nicht verständlich. Die christliche Liturgie und auch die Kunst enthalten zahlreichen alttestamentliche Zitate oder Anspielungen auf das Judentum. Dies soll bei einer kleinen Exkursion durch die Dülmener Viktorkirche anhand von zehn Bildmotiven und Symbolen verdeutlicht werden.
Die sich am Boden windende („schlängelnde“) Schlange ist ein alttestamentliches Symbol des Aufbegehrens gegen Gott; Sinnbild für Überheblichkeit und Ungehorsam, Stolz und Hochmut. Ihren Ursprung hat diese Deutung im 1. Buch Mose, wo eine Schlange das erste Menschenpaar überredet, eine Frucht vom Baum der Erkenntnis zu verzehren. Zur Strafe verflucht Gott die Schlange: „Auf dem Bauch sollst du kriechen und Staub fressen alle Tage deines Lebens. Feindschaft setze ich zwischen dich und die Frau, zwischen deinem Nachwuchs und ihrem Nachwuchs. Er trifft dich am Kopf und du triffst ihn an der Ferse.“ (Gen 3,14-15) Daher wird die überwundene Schlange in der christlichen Kunst meistens im Zusammenhang mit Maria (der „neuen Eva“) dargestellt – so in St. Viktor in einem Fensterbild oberhalb des Taufbrunnens, auf dem Hardenberg-Gnadenbild, im Außenbereich an der bronzenen Figur vor der Kirche oder in der Nische in der Außenwand des Chorraums.
links: Kirchenfenster über dem Taufbrunnen in St. Viktor; rechts: Immaculata in den Grünanlagen der Viktorkirche |