Ein Rundgang durch Neustadt am Rübenberge. 

Nachdem Fanny Pins geb. Bendix, die erste Ehefrau von Louis Pins, im Februar 1924 im Alter von nur 45 Jahren verstorben war, bahnte sich schon bald eine neue Beziehung an. Jenny Rosenstein, die zweite Ehefrau, war zu dieser Zeit als Haushaltshilfe in Dortmund beschäftigt, stammte aber gebürtig aus Neustadt am Rübenberge, einem Landstädtchen nordwestlich von Hannover. Im Dezember 1924 gaben die beiden ihre Verlobung bekannt. 

Wenn wir uns in Neustadt auf die Spuren von Louis und Jenny Pins begeben, sollten wir am Bahnhof beginnen. 

IMG_5567Es kann kein Zweifel bestehen, dass die Anreise von Dülmen nach Neustadt bzw. die Abreise von Neustadt nach Dülmen in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg noch fast ausschließlich auf dem Schienenweg geschah. Der Bahnhof von Neustadt am Rübenberge an der Bahnlinie von Hannover nach Bremen wurde um 1860 angelegt. Das erhaltene historische Empfangsgebäude stammt in seinem Ursprung aus jener Zeit und wurde später – wie auch die gesamte Gleisanlage – erweitert.

IMG_5488Wenn man vom Bahnhof in die Innenstadt von Neustadt am Rübenberge geht, kommt man am heutigen «Canpolant City-Grill», einem Schnellimbiss, vorbei. Vor dem Eingang entdeckt man in der Pflasterung zwei «Stolpersteine». Sie erinnern an Martha und Emmy Rosenstein (beide Jg. 1878), die 1941 nach Riga deportiert und dort ermordet wurden. In Neustadt gab es seit jeher etliche Träger dieses Namens – sicherlich entfernte Verwandte von Jenny Rosenstein. 

IMG_5484Wir gehen die Markstraße entlang, wo linkerhand der ehemalige «Posthof» mit einem romantischen Hinterhof liegt. Die Parzelle samt Bebauung war im Eigentum der Eltern von Jenny Rosenstein; vermutlich war dies auch Jennys Elternhaus. Nach dem Tod des Schwiegervaters von Louis Pins, Jakob Rosenstein, war die Parzelle Marktstraße Nr. 13 zunächst (1927) an Jenny und ihre Geschwister (und deren Gatten) als Erbengemeinschaft übergegangen. 1936 entschloss man sich, das Grundstück und den «Posthof» an den Neustädter Kaufmann Otto Thoms zu veräußern.

 

IMG_5493Einige Schritte weiter gelangt man zum historischen Rathaus von Neustadt. Hier – genauer: auf dem Standesamt – gaben sie Louis Pins und Jenny Rosenstein am 25. Februar 1925 das Ja-Wort. Das im Fachwerkstil errichte Gebäude von 1728 war bis 1935 in der Nutzung der Stadtverwaltung. Seit jeher verfügte das Rathaus über einen Ratskeller, wo man auch heute noch speisen kann. 

Wir machen einen Abstecher zur Mittelstraße Nr. 18, wo sich seit dem 19. Jahrhundert die jüdische Synagoge der Gemeinde befand. Das alte Fachwerkhaus war von den umgebenden Häusern kaum zu unterscheiden; in der Pogromnacht vom 9./10. November 1938 wurde es zerstört. Sofern damals der Brauch üblich war, am Herkunftsort der Braut zu heiraten, dürften Louis Pins und Jenny Rosenstein 1925 hier die Trauung nach jüdischem Ritual begangen haben. 

IMG_5500Die schon erwähnte Übertragung des Familienbesitzes Marktstraße Nr. 13 auf die Erbengemeinschaft bzw. dann der Verkauf wurde beim Grundbuchamt bzw. in der betreffenden Grundbuchakte abgewickelt und dokumentiert. Auch Louis und Jenny Pins reisten einige Male aus Dülmen an: Ihre Namen werden häufiger in notariellen Texten erwähnt, ihre Unterschriften finden sich auf zahlreichen Dokumenten. Das Amtsgericht, wo sich das Grundbuchamt befindet, ist bis heute von außen im Originalzustand von 1903 – auch das Türportal, durch das Louis und Jenny Pins mehrmals geschritten sind. 

IMG_2802Wenige Schritte vom Amtsgericht entfernt befindet sich auf dem Areal «Zwischen den Brücken» seit 2018 ein Holocaust-Mahnmal. Auf drei aufeinandergetürmten quadratischen Tafeln aus Cortenstahl stehen die Namen der Menschen aus Neustadt und den umliegenden Dörfern, die im «Dritten Reich» von den NS-Behörden erfasst und damit für die Deportation und Vernichtung bestimmt wurden. 

IMG_5542Etwa 3 Kilometer außerhalb der Innenstadt, wo die Leine durch eine Wiesenlandschaft mäandert, befindet sich auf einer Anhöhe im Wald der mit einer Backsteinmauer eingefasste jüdische Friedhof von Neustadt am Rübenberge. Die Begräbnisstätte wurde von 1804 bis 1928 (und dann zweimal in jüngerer Zeit) belegt; rd. 60 historische Grabsteine sind bis heute erhalten. Auch der unter den Neustädter Juden verbreitete Familienname «Rosenstein» ist hier zahlreich vertreten.