Ein Projekt für Dülmen?

Ein neues Bundesprogramm mit dem Titel „MemoRails Halt! Hier wird an NS-Geschichte erinnert“ möchte künftig lokale und zivilgesellschaftliche Initiativen fördern, die Bahnhöfe als historische Orte der NS-Verfolgung sichtbar machen, die Geschichten von Opfern, Täterinnen und Tätern erkunden und mit verschiedenen Gedenk- und Veranstaltungsformaten an die Schicksale und Verbrechen erinnern. 

Kulturstaatsministerin Claudia Roth sagte zum Start des Programms: „Für unzählige Menschen waren Bahnhöfe während des Nationalsozialismus ein Ort der Angst und der Verzweiflung – für die Millionen Menschen, die von hier aus in die Vernichtungs- und Konzentrationslager deportiert wurden, für diejenigen, die von hier zur Flucht vor der nationalsozialistischen Verfolgung aufbrachen, aber auch für die deportierten Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, die hier ankamen. Mit unserem neuen Förderprogramm wollen wir zivilgesellschaftliche Akteure und Initiativen dazu einladen, an den historischen Orten über die NS-Verbrechen zu informieren und an die Opfer zu erinnern.“

Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien stellt für das Programm ab sofort einmalig eine Million Euro zur Verfügung. Die Mittel wurden vom Deutschen Bundestag etatisiert. Die Stiftung EVZ, die das Förderprogramm umsetzt, beteiligt sich mit weiteren 100.000 Euro. Die Deutsche Bahn AG unterstützt das Vorhaben logistisch und kommunikativ. Das Förderprogramm „MemoRails Halt! Hier wird an NS-Geschichte erinnert“ richtet sich vor allem an Geschichtsvereine, Gedenkstätten, künstlerische Kollektive, Kultureinrichtungen, Träger der historisch-politischen Bildung oder Initiativen der Jugendarbeit zur kritischen Auseinandersetzung mit der NS-Geschichte und ihrer Gegenwartsbezüge. Es können Mittel zwischen 20.000 und 70.000 Euro für Projektlaufzeiten von bis zu einem Jahr beantragt werden. Beginn der Ausschreibung ist der 6. Februar 2025.

Für die Erinnerungsarbeit in Dülmen hinsichtlich der Familie Pins würde sich anbieten, nicht allein den Bahnhof als topographische Marke zu thematisieren, sondern vielmehr eine von Dülmen ausgehende Bahnstrecke – nämlich die nach Hamburg. „In der ersten Jahreshälfte 1939 ist Louis Pins mehr als zehnmal nach Hamburg gefahren“, hat die Dülmenerin Christiane Daldrup herausgefunden. „Das Ziel war jedes Mal das Generalkonsulat von Uruguay mit dem dringenden Wunsch, die notwendigen Einwanderungsformalitäten zu erledigen.“ Entsprechend nervenzehrend dürfte sich jede Hinfahrt (und vermutlich resigniert jede Rückfahrt)gestaltet haben – für Louis Pins, aber auch für die zuhause wartende Frau Jenny und Tochter Johanna. „Natürlich war der Dülmener Bahnhof an diesen Touren und Torturen beteiligt“, ergänzt Markus Trautmann, „ein Denkmalprojekt müsste sich aber eher mit der Strecke, sozusagen als Hoffnungsstrahl, auseinandersetzen.“ Christiane Daldrup kann sich ein Filmprojekt vorstellen, „eine Mischung aus Roadmovie und Führerstandmitfahrt, um entlang der historischen Zugstrecke die wochenlangen Auswanderungsbemühungen der Familie Pins nachzuzeichnen.“ Ein solches Filmprojekt wäre eine Verbindung von Experimentalfilm und Dokudrama – auf den Gleisen der  Zugstrecke von Münster über Osnabrück und Bremen bis Hamburg. „Am Ende sollte diese Filmpräsentation als Dauerschleife am Dülmener Bahnhof installiert werden“, findet Trautmann. Die Dramatik der oft erfolglosen Emigrationsbemühungen sei ein Aspekt der Erinnerungsarbeit, der historisch vor den eigentlichen Deportationen läge und daher heute weniger im öffentlichen Bewusstsein sei, meint Christiane Daldrup. „Gerade die hohe Besucherfrequenz an einem Bahnhof kann hier sensibilisieren.“