Bildergeschichte zu Joseph Bendix
Daniel Bendix, Nachfahre aus der weitverzweigten Dülmener Bendix-Familie, widmet sich in einer jüngst erschienen „Graphic Novel“ dem historisch komplexen Phänomen, dass ab dem 19. Jahrhundert auch jüdische Deutsche an der kolonialen Ausbeutung Afrikas beteiligt waren. Bendix‘ Darstellung mit dem Titel „Tracking Trauma“ („Verfolgt vom Trauma“) wurde vom namibischen Künstler Hangula Werner grafisch gestaltet und ist eine von insgesamt neun Beiträgen in dem Sammelband „Episodes from a Colonia Present“ („Episoden aus einer kolonialen Gegenwart“).Alle neun „Graphic Novels“ des Buches sind von den Lebensgeschichten des 15-köpfigen Teams aus Namibia, Mexiko, China, Kanada, Indien, Deutschland und dem Baskenland inspiriert. Daniel Bendix skizziert die Rolle des Dülmener Juden Joseph Bendix, der 1905 als Offizier einer „Schutztruppe“ am Krieg bzw. am Genozid an den Herero und Nama teilnahm und in den Kämpfen fiel. Eine Generation später wurden zahlreiche Mitglieder der Familie Bendix im Holocaust ermordet. Andere, etwa Josephs Neffen Bernhard und Walter Bendix, flohen mit dem Passagierschiff „Stuttgart“ nach Südafrika und erwarben später Land im Apartheid-Namibia.
Der Kolonialismusforscher Daniel Bendix hat sich dieser widersprüchlichen familiären Verflechtung angenommen. In der Bildergeschichte lässt er auf einer Farm die beiden Genozide aufeinandertreffen: Der Farmarbeiter Frederick, ein Nama, leidet unter seinem brutalen „Baas“. Die Erzählung ist im Süden des heutigen Namibia angesiedelt. Das Land, auf dem Frederick lebt, war einst im Besitz seiner Vorfahren. Während des von den deutschen Kolonialherren in den Jahren 1904 bis 1908 verübten Genozids wurden die Nama enteignet. Indes studiert die Tochter des Farmbesitzers die Geschichte ihres jüdisch-deutschen Familienverbandes: Erst profitierten dessen Mitglieder vom deutschen Kolonialsystem, doch dann wurden viele von ihnen in der Shoah umgebracht oder migrierten nach Südafrika. Die Tochter des wohlhabenden weißen Farmbesitzers, der seine jüdische Abstammung verdrängt hat, und der Nama-Farmarbeiter entdecken, was das Leid ihrer Vorfahren verbindet, während sie selbst sich sozial in so krass unterschiedlicher Lage befinden – denn die genozidale Enteignung wurde nie repariert. Erinnern müsse Gerechtigkeit bedeuten, so die Schlussfolgerung in Bendix’ Kurzerzählung „Tracking Trauma“. Die von Bendix thematisierte „Ethik des Vergleichs“ ist ein schwieriges Terrain. Doch kann als Richtschnur dienen: Vergleiche gelingen dann, wenn sie von einer Haltung der Solidarität mit allen betroffenen Opfern motiviert sind. Die Unterschiede zwischen Verbrechen, auch zwischen Genoziden, werden dadurch nicht nivelliert.
Die Story basiert auf der persönlichen Familiengeschichte von Daniel Bendix, dessen Verwandte bis heute eine Farm in Namibia besitzen.Daniel Bendix ist Dozent für Global Development, tätig am Fachbereich Christliches Sozialwesen der Theologischen Hochschule Friedensau. Er hat sich insbesondere mit den Auswirkungen kolonialer Machtverhältnisse auf die deutsche Entwicklungspolitik im In- und Ausland beschäftigt.