Drei Tage Erinnerung, Begegnung und Freundschaft:

Ehepaar Davidson erneut zu Besuch in Dülmen
Es waren drei Tage voller bewegender Begegnungen, intensiver Gespräche und lebendiger Erinnerung: Zum zweiten Mal nach 2023 besuchten Kathi und Hans Davidson die Stadt Dülmen – die Heimat von Hans’ Vater Dolf und dessen Geschwister sowie seinen Großeltern Bertha und Isidor Davidson. Die Familie lebte einst in der Lüdinghauser Straße, wo heute sechs Stolpersteine an ihr Schicksal erinnern.
Der Besuch stand im Geist gelebter Freundschaft. „Hans hat uns von Anfang an als seine Freunde bezeichnet“, so eine Teilnehmerin des Programms. Der erneute Besuch war ein herzliches Wiedersehen und ein gemeinsames Erinnern.
Begrüßung und Vortrag
Begleitet wurde das Ehepaar Davidson von Vertreterinnen und Vertretern der Hermann-Leeser-Schule, der Kirchengemeinde St. Viktor, der Stadt Dülmen sowie des Heimatvereins. Am Dienstagmorgen wurden sie beim Frühstück in der Hermann-Leeser-Schule von Bürgermeister Carsten Hövekamp willkommen geheißen. Im Anschluss sichtete Hans Davidson gemeinsam mit Stadtarchivar Stefan Sudmann historische Unterlagen aus dem Familienarchiv – Briefe, Fotos und persönliche Dokumente, die über Jahrzehnte hinweg aufbewahrt wurden.
Am Abend erzählte Hans Davidson im einsA in einem eindrucksvollen Vortrag die Geschichten zweier Mädchen aus seiner Familie: Femmy und Vera. In Ich-Perspektive schilderte er Femmys Deportation nach Auschwitz und Veras Jahre im Versteck. Die Erzählweise war ebenso eindringlich wie bewegend. Viele Zuhörende waren tief berührt – bedauerlich war jedoch, dass trotz der Aktualität des Themas nur wenige jüngere Menschen den Weg zur Veranstaltung fanden.
Schülerdialog in Münster
Am Mittwoch ging es nach Münster zur Gedenkstätte Villa ten Hompel. Dort traf die Dülmener Gruppe, zu der auch Schüler und Schülerinnen der Hermann-Leeser-Schule gehörten, auf eine Schülergruppe des Annette-von-Droste-Hülshoff-Gymnasiums aus Münster. Im Mittelpunkt stand ein intensiver Austausch über Hans Davidsons Familiengeschichte und seine Erfahrungen als Jude in der Nachkriegszeit. Besonders beeindruckend: Die Offenheit und das aufrichtige Interesse der Schülerinnen und Schüler.
Nach der Führung durch das Gebäude – einst Sitz der Ordnungspolizei im NS-Staat – erinnerte Historiker Stefan Querl an Fritz Bauer, den Initiator des Auschwitz-Prozesses, und dessen mutigen Einsatz für Gerechtigkeit. Ein Zitat Bauers bleibt besonders im Gedächtnis:
„Man muss auch bereit sein, gegen den eigenen Staat zu handeln, wenn Recht und Menschlichkeit es gebieten.“
Am Domplatz begrüßte Pfarrer Markus Trautmann die Gruppe. Er erläuterte anhand zweier Kunstwerke das Wirken von Kardinal Clemens August Graf von Galen, der wegen seines mutigen Widerstands gegen das NS-Regime als „Löwe von Münster“ bekannt wurde. Das Standbild von 1978 zeigt ihn in aufrechter Haltung mit segnender Geste. Die Kreuzigungsgruppe von 2004 verknüpft christliches Leidensmotiv mit historischen Figuren, darunter von Galen als Evangelist Johannes und Jan van Leyden als Symbol für religiösen Fanatismus. Pfarrer Trautmann zitierte den Philosophen Karl Popper:
„Der Versuch, den Himmel auf Erden einzurichten, erzeugt stets die Hölle.“
Ein eindrücklicher Hinweis darauf, wie gefährlich ideologischer Absolutismus werden kann – gestern wie heute.
Nach dem Besuch am Domplatz führte der Weg weiter zur Synagoge Münster. Nach einer kurzen Führung durch den Gebetsraum wurde die Gruppe im Shalom-Saal herzlich mit Kaffee, Kuchen und Kaltgetränken von Mitgliedern der jüdischen Gemeinde empfangen. Dort berichteten Gemeindemitglieder über die Entwicklung und den Wandel der jüdischen Gemeinde in Münster.
Ein besonders eindrücklicher Moment ergab sich für die Schülerinnen und Schüler schon beim Eintreffen: Zwei Polizeifahrzeuge vor dem Eingang machten sichtbar, unter welchen Sicherheitsvorkehrungen jüdisches Leben heute stattfinden muss. Für viele wurde hier deutlich, dass Antisemitismus nicht nur ein Thema der Vergangenheit ist – sondern Teil einer bedrückenden Gegenwart. Der Besuch vermittelte dadurch nicht nur historische Erkenntnisse, sondern auch ein tiefes Bewusstsein für aktuelle Herausforderungen jüdischen Lebens in Deutschland.
Lernort Visbeck und persönliche Spuren
Am Donnerstag ging es wieder mit Schülerinnen und Schülern des 8. Jahrgangs zum Lernstandort Visbeck. Joachim Holländer führte zweisprachig und mit großer Leidenschaft durch das Gelände des ehemaligen Munitionsdepots, das heute als außerschulischer Lernort dient. Besonders anschaulich erklärte er anhand eines selbst gebauten Modells die Struktur und Funktion des Geländes – ein Lernort, der nicht nur Geschichte vermittelt, sondern auch deutsch-amerikanische Verbindungen erfahrbar macht.
Der letzte Programmpunkt war ein Spaziergang rund um die Viktorkirche und zu den Stolpersteinen der Familien Salomon (Josef Salomon war der Bruder von Berta Davidson) und Davidson, wo Hans weiße Rosen ablegte.
Mit Hilfe alter Familienfotos wurden die Standorte der abgebildeten Personen sowie des Fotografen rekonstruiert. Sichtlich bewegt sagte er zu diesem Rundgang:
„Everything I've experienced these days has been very, very good. But what you've shown me now has been grateful. I'm very touched. Thank you.“