Spurensuche in Hamburg
"Es rührte mich an."
Erst war es nur eine Idee, dann folgte zügig die konkrete Planung: Eine „Best-Agerin“ aus dem Dülmener Umland (die nicht genannt werden möchte) verbrachte Anfang Juli einige Urlaubstage in Hamburg – mit einem ungewöhnlichen „Ausflugsziel“: Sie fuhr mit einem ausgeliehenen E-Bike durch die Hansestadt und erforschte Spuren und Erinnerungsorte, die über die Hamburg-Tour eines anderen Dülmeners Aufschluss geben, mehr als 80 Jahre zuvor. Die Rede ist vom jüdischen Viehhändler Louis Pins, der im Frühjahr 1939 nach Hamburg fuhr, um dort die Ausreise seiner Familie aus Nazi-Deutschland vorzubereiten. Er wurde verhaftet, gefoltert und in den Suizid getrieben.
„Ich habe davon in der Zeitung gelesen“, berichtet die Dülmenerin, „als die Ideen zum Gedenkort ‚Keller Pins‘ an der Viktorkirche vorgestellt wurden.“ Ferner wird in einem erklärenden Booklet das tragische Geschick der Familie Pins umrissen, „aber auch diese wenigen Zeilen haben mich stark angerührt“, sagt sie. Und so begab sie sich auf eine dreitägige Tour durch Hamburg zu den Orten, die auch Louis Pins aufgesucht hatte: angefangen beim prächtigen Hauptbahnhof über das Grindelviertel (ehemals Sitz des jüdischen Auswandererbüros) und das Levante-Haus (ehemals Sitz des Konsulats von Uruguay) bis hin zum früheren Gestapo-Quartier im „Stadthaus“ und zum Gestapo-Gefängnis Fuhlsbüttel. Wenngleich das alte Hamburg aus der Vorkriegszeit nicht mehr existiert: Baugeschichtlich sind die genannten Orte fast allesamt erhalten. „Nur das Grindelviertel ist überbaut, aber da gibt es neben einigen Erinnerungstafeln die jüdische Schule, die 1942 zwangsgeschlossen wurde an der gerade der erste Abiturahrgang nach dem Krieg abgeschlossen hat“, so ihre Erkenntnis. Auch in der Gedenkstätte Fuhlsbüttel gibt es eine „Ehrentafel für die Ermordeten“, auf der auch Louis Pins aus Dülmen verzeichnet ist.
Besonders bewegend war am Ende der Besuch am Grab von Louis Pins auf dem Friedhof Ohlsdorf. „Auf dem altehrwürdigen Großstadtfriedhof wurde ihm eine Armenbestattung zugestanden“, berichtet die Hamburg-Reisende. „Die Tafel ist im Boden eingesunken und kaum zu finden.“ Ob Louis Pins‘ Frau und Tochter vor deren Ausreise Ende 1940 noch mal das Grab des Gatten und Vaters besuchen konnten, ist fraglich. „Durch die Begegnung mit einem Einzelschicksal wurde für mich deutlich, was der Schrecken der Nazi-Diktatur für so viele damals bedeutet hat. Ich habe am Grab von Louis Pins eine Rose abgelegt“, so das Resümee. Und sie fügt hinzu: „Ich glaube, dass Louis Pins zu ‚unseren älteren Brüdern‘ gehört, wie es Papst Johannes Paul II. einmal formuliert hat, und ich meine, dass wir nicht vergessen dürfen.“ Und sie zitiert die letzten Worte eines in Fuhlsbüttel Hingerichteten: „Eines Tages wird das Heute Vergangenheit sein, wird man von der großen Zeit und von den namenlosen Helden sprechen, die Geschichte gemacht haben. Ich möchte, dass man weiß, dass es keine namenlosen Helden gegeben hat. Dass es Menschen waren, die ihren Namen, ihr Gesicht, ihre Sehnsucht und ihre Hoffnung hatten und dass deshalb der Schmerz auch des letzten unter ihnen nicht kleiner war als der Schmerz des ersten, dessen Name erhalten bleibt.“