Im Alter von 90 Jahren starb am Mittwoch (21.12.) in Rotterdam das letzte in Dülmen geborene Mitglied der früheren jüdischen Gemeinde, Ingrid Leeser. Sie kam am 8. April 1932 als zweite Tochter des Dülmener Textilunternehmers Hermann Leeser und dessen Frau Rhea zur Welt. Nach dem Suizid ihres Vaters nach der Pogromnacht 1938 zog Ingrid Leeser mit ihrer Mutter und der vier Jahre älteren Schwestern Helga in die Niederlande, wo sie ab 1942 im Untergrund die deutsche Besatzung überlebte. Nach dem Krieg arbeitete Ingrid Leeser in einem Unternehmen, das Südfrüchte vertrieb. Sie war Mutter einer bereits verstorbenen Tochter und eines Sohnes. Im Unterschied zu ihrer Schwester Helga Becker-Leeser (1928-2018) blieb Ingrid über Jahrzehnte bewusst auf Distanz zu ihrer früheren Heimat und vermied strikt die Nähe zu Dülmen. Erst als 2015 die Bildergeschichte „Von allem etwas“ über die Familie Leeser vorgestellt wurde, besuchte Ingrid Leeser erstmals wieder Dülmen, 70 Jahre nach Kriegsende. Seitdem pflegte sie einen regen Kontakt zu verschiedenen Personen aus Dülmen. „Sie war eine tolle Gastgeberin und hervorragende Zeitzeugin, hat viele neue Aspekte zur Geschichte der Familie Leeser beigesteuert“, erinnert sich die Pädagogin Dr. Andrea Peine. „Ingrid war anders als Helga, die eher in sich gekehrt war, lebenslustig, robust und direkt, wenngleich stets unglaublich ‚vornehm‘.“

Foto von Ingrid Leeser: Dr. Andrea Peine
Foto von den Ingrid Leeser und Helga Becker-Leeser: Dülmener Zeitung, Markus Michalak