Archiv 2024
Holocaust-Überlebende beeindruckt Schülerinnen und Schüler mit eindringlicher Botschaft
Mit beeindruckende Energie schilderte die 88-jährige Eva Weyl aus Amsterdam am letzten Freitag Schülerinnen und Schülern der Jahrgangsstufen 9, Q1 und Q2 im vollbesetzten Forum ihre Erinnerungen an die Zeit der Verfolgung ihrer Familie durch die Nationalsozialisten. Im Mittelpunkt stand dabei deren Zeit im niederländischen Konzentrationslager Westerbork, das die Familie wie durch ein Wunder überlebt hat. Das KZ Westerbork zeichnete sich dadurch aus, dass es den Gefangenen eine „heile Welt“ vorspielen wollte, um die Deportationen in die Vernichtungslager wie Ausschwitz ohne großen Widerstand zu ermöglichen. Nicht nur dieses teuflische System und die Schrecken, die die jüdische Bevölkerung damals erleiden musste, sondern auch Eva Weyls Blick nach vorne, ihre Botschaft an die Schüler, dass sie keine Schuld für die damaligen Ereignisse tragen, aber eine Verantwortung, dass so etwas nie wieder passiert, beeindruckte die Zuhörerschaft tief. So wird die Botschaft von Frau Weyl, dass sich die Schülerinnen und Schüler schon gegen Mobbing, aber auf jeden Fall gegen die Ausgrenzung von Minderheiten und die Einschränkung von Freiheiten durch einen wachen und kritischen Geist schützen müssen, noch lange in Erinnerung bleiben.
Quelle: https://avd.duelmen.org/
„Ohne Wissen keine Erinnerungskultur“
Gedenken an Hanau. Am 19. Februar ist es genau vier Jahre her, dass in Hanau ein Attentäter zehn Menschen tötete – angetrieben von Hass und Rassismus. In diesen Tagen erinnern verschiedene Gedenkveranstaltungen an den 19. Februar 2020. „Gedenktage sind wichtig“, sagt die Politikwissenschaftlerin Elke Gryglewski. Sie würden nicht nur an das konkrete Ereignis erinnern, „sondern auch wichtige Trauerrituale mit sich bringen“. Gleichwohl wirft die Leiterin der Gedenkstätte Bergen-Belsen kritisch ein: Eine Erinnerung an ein historisches Ereignis setze aber immer auch Wissen voraus. „Wenn ich nicht weiß, was passiert ist, kann ich auch keine Erinnerungskultur pflegen.“ Auch jüngeren und nachwachsenden Generationen müssten erst einmal eine Grundlage haben, um adäquat zu erinnern und gegebenenfalls auch zu trauern. „Ohne Wissen keine Erinnerungskultur“, so ihr Plädoyer.
Foto von Elke Gryglewski: Martin Bein - Uploader was Hajotthu at de.wikipedia - https://www.stiftung-ng.de/, CC BY-SA 4.0
Großes Bild: Jüdische Gemeinde Hanau; jg-hanau.de
Auch ein jüdisches Gründungsmitglied
Dülmener Heimatverein wird 100 Jahre alt.
Als am 18. Mai 1924 einige Dülmener Bürger nach einem Sonntagsspaziergang zur Gründungsversammlung eines künftigen Heimatvereins zusammenkamen, war unter ihnen auch der jüdische Unternehmer Jacob Leeser (1850-1927), der Vater des späteren Namensgebers der städtischen Realschule, Hermann Leeser. Darauf hat der heutige Heimatvereinsvorsitzende Erik Potthoff in dem Beitrag „Nicht nur Vergangenes im Blick“ von Claudia Marcy in der Dülmener Zeitung vom 17. Februar 2024 hingewiesen. Jacob Leeser, mit Pauline geb. Salomon (1865-1927) verheiratet und Vater von fünf Kindern, war ein angesehener Bürger Dülmens und gut vernetzt – nicht nur innerhalb der Heimatfreunde: Lange Jahre war er Stadtverordneter, Vorstandsmitglied des Kriegervereins, Mitglied des Allgemeinen Bürgerschützenvereins (1883 Bürgerschützenkönig), des Verbandes Großmünsterländischer Textilindustrieller; ebenso war er Mitglied der Gewerbesteuer-Kommission des Kreises Coesfeld und Aufsichtsratsmitglied des Gemeinnützigen Bauvereins. 35 Jahre lang stand er der Synagogengemeinde Dülmen vor. Seine Verdienste um Stadt und Staat wurden 1911 mit dem Preußischen Kronenorden gewürdigt. (Vgl. Karina Lehnardt: Der jüdische Friedhof in Dülmen, 1991, S. 34) Bis heute ist dem Dülmener Heimatverein das jüdische Erbe Dülmens bzw. die einschlägige Erinnerungsarbeit ein wichtiges Anliegen. „So wurde etwas in diesem Jahr eine Theateraufführung zum Holocaust-Gedenktag am 27. Januar gefördert“, heißt es in der aktuellen DZ.
Bischof Felix würdigt Publikation
Respekt und Anerkennung hat der Münsteraner Bischof Dr. Felix Genn der im letzten Herbst erschienenen Publikation „Hier wohnte …“ entgegengebracht. In einem Brief an Pfarrer Markus Trautmann betont der Bischof, dass ihn der Band über die Schicksale von Jüdinnen und Juden der Stadt Dülmen stark beeindruckt habe. „Das ist mir zum Teil so nachgegangen, dass ich abends nicht in der Lage war, das zu lesen, weil es mich sehr stark berührt hat.“ Der Bischof würdigt die Leistung aller, die am Entstehen des Buchs beteiligt waren: „Welche Arbeit steckt dahinter, diesen Schicksalen nachzugehen, die vielen Einzelheiten zu prüfen, die heute noch daran erinnern können und sollten.“ Er ermuntert, nicht darin nachzulassen, „immer wieder daran zu erinnern, damit wir das Furchtbare nicht vergessen, das in unserem Land geschehen ist.“
Papst verurteilt Antisemitismus
Papst Franziskus hat am 2. Februar auf einen offenen Brief von rund 400 Jüdinnen und Juden geantwortet, die eine klare Verurteilung des Hamas-Terrorangriffs gefordert hatten. Seit den Ereignissen vom 7. Oktober sei das Heilige Land in eine Spirale nie da gewesener Gewalt geraten, schreibt Franziskus. "Es zerreißt mir das Herz, wenn ich sehe, was im Heiligen Land geschieht, durch die Macht von so viel Spaltung und so viel Hass."
Zum Bericht in der Zeitung "Die Tagespost" >>>
Foto Papst: Quirinale.it, Attribution, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=115828333
Geburtstagsgedanken zum 4. Februar
Vor 150 Jahren wurde Louis Pins geboren.
Es war ein trauriger 50. Geburtstag für den Dülmener Viehhändler Louis Pins: Denn genau an diesem Tag, also am 4. Februar 1924, verstarb seine Ehefrau Fanny, geb. Bendix, im Alter von nur 45 Jahren an den Folgen einer Lungenentzündung. Da war wohl niemandem in seinem Umfeld nach feiern und gratulieren zumute. Und nun, genau 100 Jahre später? Auch den 150. Geburtstag von Louis mag man nicht direkt „feiern“. Wurde vor drei Jahren der 100. Geburtstag von Sophie Scholl „gefeiert“? Wird in fünf Jahren der 100. Geburtstag von Anne Frank „gefeiert“. Vielleicht sollte man eher sagen: Das Leben eines Menschen bzw. diesen Menschen selbst kann man – und sollte man – anlässlich eines „runden“ Geburtstages würdigen und mit Respekt in Erinnerung rufen. Denn wir wissen heute, wie belastend die letzten Lebensjahre (seit Ende Januar 1933) und erst recht die letzten Lebenstage (seit Anfang Juni 1939) für Louis Pins waren.
Aus diesen letzten Tagen, nämlich aus dem Verhörprotokoll der Hamburger Zollfahndung, stammen aus seinem eigenen Munde ein paar schmale Hinweise zu seinem Leben: „Ich bin am 4.2.1874 geboren. Von meinem 6. bis zum 14. Lebensjahr besuchte ich die Schule (Volksschule), von da kam ich zu meinem Vater ins Geschäft (Viehgeschäft). Von meinem 17. Lebensjahr an war ich selbständig.“ Als selbständiger Viehhändler war Louis Pins durchaus erfolgreich und konnte ein gewisses Vermögen ansparen. Jahrzehnte später begründeten diese Rücklagen seine Hoffnung, mit seiner zweiten Ehefrau Jenny und Tochter Johanna seine Auswanderungspläne zu beschleunigen. Vergebens. Die Zollfahndung wurde auf ihn aufmerksam und belangte ihn wegen „Devisenvergehen“; er kam in Gestapohaft, wo er sich am 12. Juni 1939 das Leben nahm. Sein Grab befindet sich bis heute auf dem jüdischen Teil des Hamburger Friedhofs Ohlsdorf. – Da ist uns nicht zum „feiern“ zumute, Geburtstag hin oder her.
Und doch: Wir sollten nicht vergessen, dass es für die allermeisten der ausgegrenzten, verfolgten und ermordeten deutschen Juden ja auch gute Zeiten gab, in denen sie fest im gesellschaftlichen Leben integriert und anerkannt waren. Umso unbegreiflicher war ja dann nach 1933, wie plötzlich (oder genauer: nach und nach) die öffentliche Stimmung sichgegen sie wendete. Auch die Familie Pins dürfte sich lange Zeit als etabliert empfunden und in Dülmen respektiert gewähnt haben, fälschlicherweise und viel zu lange – denn am Ende waren ihre Ausreisepläne eigentlich schon zu spät. Es grenzt an ein Wunder, dass Jenny und Johanna nach Louis‘ Tod noch nach Uruguay emigrieren konnten und im Februar 1941 Montevideo erreichten. Wenn schon nicht mit Blick auf Louis, so doch gegenüber seiner Frau und Tochter, möchte man sich aus ganzem Herzen wünschen, was eine andere Dülmener Jüdin einmal geäußert hat: Helga Becker-Leeser, die ebenfalls ihren Vater durch Suizid verlor und dann durch die Flucht ins Ausland überlebte, äußerte einmal in einem Gespräch gegenüber Schülerinnen und Schülern der Dülmener Hermann-Leeser-Schule: „Man muss auch mal über etwas hinwegleben können…“ Das meint wohl, dass ein Mensch – in diesem Falle: als Angehöriger und Überlebender – irgendwann wieder zum Lebensmut zurückfindet, ja noch mehr: zur Lebensfreude! Wie gesagt: Das möchte man, das muss man sich doch wünschen – das dies schlussendlich so gewesen sein mag … Und dann würde „Gratulation“ vom lateinischen Wortstamm „gratia“ her passen: Gnade, Gunst, Dank.
Das Dülmener Stadtarchiv hat uns freundlicherweise die Sterbeurkunde der Fanny Pins, geb. Bendix (Stadt Dülmen, Nr.11/1924) vom 4. Februar 1924 >>> sowie einen Auszug aus dem Verzeichnis der Trauungen und Geburten jüdischer Glaubensangehöriger Dülmener aus den Jahren 1872 - 1920 (Stadt Dülmen, Bj 20) bzw. den Eintrag der Geburt von Louis Pins am 4. Februar 1874 >>> zur Verfügung gestellt. Dafür frohen Dank!
Weltgebetstag der Frauen
Der diesjährige Gottesdienst zum Weltgebetstag der Frauen (WGT) des Kreises Coesfeld findet am 1. März 2024 um 15.00 Uhr in St. Viktor in Dülmen statt. Hierzu ist auch ein Gebetsheft vorbereitet worden, das in einer Auflage von 550.000 Exemplaren in ganz Deutschland verteilt wird. Dieses Gebetsheft wurde angesichts der aktuellen Situation des Gaza-Krieges verändert: Es handelt sich um eine Überarbeitung der ursprünglichen Fassung, die noch vor dem 7. Oktober 2023 erstellt worden ist, also vor dem Terror-Angriff der Hamas auf israelische Staatbürger. Da sich der diesjährige WGT mit der Situation von Frauen in Palästina befasst, war die palästinensische Künstlerin Halima Aziz um ein Bildmotiv gebeten worden – das eigentlich auf Plakaten, Postkarten und Einladungsflyern und natürlich auf dem Gebetsheft verwendet werden sollte. Da sich jedoch Halima Aziz nach den Terroranschlägen vom 7. Oktober klar mit Hamas solidarisiert hat, wurde dieses Motiv jetzt aus dem Verkehr gezogen. Darüber hinaus hat sich das deutsche WGT-Komitee vorbehalten, gewisse Textpassagen umzuformulieren bzw. zu ergänzen.
Gegenüber dem Dülmener Organisationsteam hat Pfarrer Markus Trautmann dessen Bitte entsprochen und einige kritische Hinweise zusammengestellt:
- Auf S. 19 heißt es: „Die Staatsgründung Israels 1948 schaffte für Juden und Jüdinnen einen sicheren Zufluchtsort, für Palästinenser und Palästinenserinnen hatte sie vielfach Vertreibung und Verlust von Heimat zur Folge.“ – Hierzu eine Klarstellung: Am 29. November 1947 stimmten in der damaligen Vollversammlung der Vereinten Nationen 33 Staaten (einschließlich USA und UdSSR) für die Gründung eines Staates Israel im bisherigen britischen Mandatsgebiet; eine Minderheit von 13 Ländern stimmte dagegen. Neben dem jüdischen Staat sollte nach dem Willen der UNO auch ein arabischer Staat gegründet werden. Als nach Abzug der britischen Truppen am 14. Mai 1948 der Staat Israel ausgerufen wurde, erklärten noch am selben Tag fünf arabische Staaten (Libanon, Jordanien, Syrien, Irak, Ägypten) dem neuen Staat den Krieg und schworen, „die Juden ins Meer zu treiben“. Gemäß dem Völkerrecht wehrte sich Israel gegen die Angreifer, mit Erfolg.Lediglich Jordanien und Ägypten haben zwischenzeitlich mit Israel Frieden geschlossen; die übrigen arabischen Akteure einschließlich der Palästinenser haben ihrem Vernichtungswillen gegen Israel bis heute nicht abgeschworen: In diesem Umstand haben „Vertreibung und Verlust von Heimat“ von Teilen der palästinensischen Bevölkerung ihre Ursache. Dass die gesamte arabische Welt die Palästinenser in ihrem Flüchtlingsstatus und -elend belässt, wäre ein eigenes Thema. Zugleich gilt es aber zu betonen, dass außerhalb der arabischen Einflusssphäre, nämlich innerhalb Israels, auch Palästinenser erfolgreich als israelische Staatsbürger integriert sind.
- Auf S. 17 lesen wir: „Wir beten für alle, die seit dem 7. Oktober 2023 in Israel und Palästina in unvorstellbarem Ausmaß unter Terror, Not und Krieg und sexualisierter Gewalt leiden.“ – Mit „sexualisierter Gewalt“ sind doch wohl Vergewaltigungen gemeint: Diese gab es allein in Israel, nicht in Palästina. Richtig ist, dass Hamas-Terroristen mit beispielloser Brutalität auch palästinensische Frauen und Beduininnen vergewaltigt und abgeschlachtet haben, aber eben auf israelischen Boden. Kein israelischer Soldat hat palästinensische Frauen vergewaltigt. Es ist eine schreckliche Tatsache, dass in Kreisen der internationalen Frauenrechtsbewegung (etwa „MeToo“) das Leid an jüdischen Frauen so oft keine Anerkennung findet; daher diese Klarstellung.
- Da, wo die einleitenden Texte vom deutschen WGT-Komitee verantwortet werden, wird mit Vorliebe das „Gendersternchen“ verwendet. Dazu folgender Hinweis: Rat und Verwaltung der Stadt Dülmen haben vor einiger Zeit auf das Votum unserer Gleichstellungsbeauftragten hin entschieden, das Gender-Sternchen zu vermeiden: Es stellt bei mangelnder Lesekompetenz (zumal bei Kindern und Migranten oder Menschen mit Behinderung) eine nicht zu unterschätzende Hürde dar, ganz zu schweigen von den Tücken der digitalen Übersetzungsprogramme für Sehbehinderte und Geflüchtete. Uns als Kirche sollte Inklusion wie auch Integration im Alltag sehr wichtig sein, wir sollten gerade als kirchliche Akteure jede „Sondersprache“ vermeiden.
Die Hinweise wollen in keiner Weise in Abrede stellen, dass der jährliche Weltgebetstag der Frauen sowohl ökumenisch wie auch interkulturell eine großartige und sehr wichtige Initiative darstellt – weltweit wie auch bei uns vor Ort. Auch das genannte Gebetsheft atmet diesen Geist der Verständigung! Wir freuen uns auf möglichst viele Teilnehmerinnen in St. Viktor und auf den anschließenden Empfang im einsA!
Gedenken und Würdigung
Viel ist in diesen Tagen vom Engagement für unsere Demokratie und von den Lehren aus der deutschen Geschichte die Rede. Zu recht! Und insbesondere rückt der Antisemitismus wieder verstärkt ins öffentliche Bewusstsein. Doch die 102 jährige Holocaust-Überlebende Margot Friedländer gibt in diesen Tagen zu bedenken: „Ihr braucht zu viele Worte dafür – braucht weniger Worte. Meine Mission ist: Ich sage, seid Menschen. Wir sind alle gleich. Es gibt kein christliches, kein muslimisches, kein jüdisches Blut. Es gibt nur menschliches Blut. Alles ist gleich. Wenn ihr Menschen seid, dann werdet ihr wissen, dass ein Mensch so was nicht machen würde.“
Im Nachgang zum diesjährigen Holocaust-Gedenktag möchten wir die Gäste dieser unserer Internetseite bitten, im persönlichen oder beruflichen Umfeld immer wieder einmal auf www.hineinschauen.org hinzuweisen. Denn hier finden sich viele Hinweise und Anregungen einer lebendigen Erinnerungskultur und – hoffentlich! – einer neuer Wachsamkeit: sachlich, informativ und interessant!
Kleiderbürste aus dem Modehaus Eichengrün
Eine überraschende Nachricht erreichte das Redaktionsteam am Abend des Holocaust-Gedenktags, als der Messengerdienst von Facebook per Sound eine neue Mitteilung ankündigte. Der Absender war August Stüer. Zu ihm hatten wir während des Entstehungsprozesses des Buches "HIer wohnte ..." Kontakt aufgenommen. Denn er hatte vor Jahren ein Foto eines Fundstückes in der Gruppe "damals in Dülmen" auf Facebook gepostet, welches eine Kleiderbürste, wohl ein Werbegschenk, des Modehauses Eichengrün zeigte. Das Textilwarengeschäft wurde 1910 von den Brüdern Hermann und Sally Eichengrün an der Marktstraße in Dülmen gegründet. Während der NS-Zeit emigrierte die jüdische Kaufmannsfamilie nach Südamerika.
So fand das Bild der Kleiderbürste über den Facebook-Kontakt den Weg in das Kapitel über die Familie Eichengrün (S. 36 und 37) des Buches "Hier wohnte ...". August Stüer erinnerte sich nun an diesen kurzen Schriftverkehr und fragte am gestrigen Abend an, ob er uns diese Kleiderbürste schenken dürfe. Er sei davon überzeugt, dass sie bei uns gut und richtig aufgehoben sei. Er selbst kam nach dem Krieg durch ein Tauschgeschäft gegen Kartoffeln und Speck zu dem Erinnerungsstück. Wir freuen uns sehr über dieses Geschenk und werden es in Erinnerung an die Familie Eichengrün in Ehren halten.
"Die Ermittlung" im Amtsgericht Dülmen
Totenstille herrschte im Amtsgericht, als hier in dieser gut gewählten Kulisse, das Stadtensemble aus Münster die szenische Lesung "Die Ermittlung" anlässlich des Holocaust-Gedenktages aufführte.
Hierbei handelt es sich um ein Theaterstück des Dramatikers Peter Weiss von 1965, das den ersten Frankfurter Auschwitzprozess von 1963 bis 1965 mit den Mitteln des dokumentarischen Theaters thematisiert. Weiss selbst nahm als Zuschauer am Auschwitzprozess teil und entwickelte sein Stück aus den Protokollen Bernd Naumanns.
In den 11 Szenen, die als Gesänge bezeichnet werden, werden die Zuschauer auf dem qualvollen Weg vom Transport über die Rampe bis zum Feuerofen mitgenommen. Die Zeugenaussagen sowie die Reaktionen der Angeklagten gingen dem Publikum unter die Haut. "Obwohl ich die Geschichte aus unzähligen Büchern und Filmen kenne, bin ich zutiefst erschüttert über das gerade Gehörte.", so eine Besucherin der Veranstaltung. Besonders der "Gesang der Feueröfen" zeigte durch die Aussagen der Zeitzeugen die Unmenschlichkeit und Grausamkeit von Auschwitz auf. Eine Zuschauerin verließ zwischenzeitlich mit den Worten "Ich kann das gerade nicht mehr ertragen" den Raum und viele konnten diese Reaktion beklommen nachempfinden. Nach der Aufführung berichtete eine der Schauspielerinnnen, dass es viele Proben gedauert habe, bis das Ensemble die Texte ohne Tränen bzw. Stimmversagen lesen konnten.
Die Akteure rotierten nach jeder Szene die Rollen, so dass die Darsteller mal als Zeuge, Angeklagter, Staatsanwalt, Rechtsanwalt oder Richter zu sehen war.
Unterstützt wurde die Veranstaltung der Stadt Dülmen durch die Sparkasse Westmünsterland, die Bürgerstiftung Dülmen, den Heimatverein Dülmen e.V. und die Soroptimistinnen Dülmen.